Es gibt kaum Unterlagen über den Umfang der von Anton Sirninger im Jahr 1913 mit Unterstützung des Landes NÖ gegründeten Musterobstmosterei in Kilb. Bereits im Jahr 1907 begann Sirninger mit der Produktion von Apfelchampagner (Kohlenberg-Sekt). Im Jahr 1925 wurde die Mosterei um eine "Beispiels-Kleinbrennerei" erweitert. Einige Zeitzeugen (bzw. deren Nachkommen) können sich daran erinnern, dass in der Mosterei eine Obstverarbeitung in großem Stil betrieben wurde. An die Obstanlieferung per Bahn, die Verarbeitung von aus dem Ausland importierten Zwetschken und die Lieferung der verarbeiteten Produkte in großen Gebinden nach Wien können sich noch einige aus Erzählungen ihrer Eltern erinnern (Walter Sirninger, dessen Vater als Brennmeister in der Mosterei tätig war und aus Erzählungen weiß, dass im Dezember für etwa 4 Wochen Zwetschkenschnaps gebrannt wurde; er selbst hat - ebenso wie Fritz Janker - noch einen der letzten Obstbaukurse Mitte der 60´ er Jahre in der Mosterei besucht; Leopold Wagner, der als Malergeselle noch große Vorräte an Schnäpsen gesichtet hatte; Josef Kasser, der als Bub das 250 hl Zementfass reinigen musste, das nur durch eine kleine Öffnung an der Vorderseite betreten werden konnte). |
![]() |
Eine Obstlagerkapazität
von etwa 80.000 kg am Dachboden der Mosterei, eine tägliche
Obstverarbeitungskapazität von etwa 10.000 kg Obst und eine Mostlagerkapazität
von insge- samt 1000 hl im Keller weisen auf enorme Verarbeitungs- mengen
hin.
Eine genaue Beschreibung der NÖ Landes-Musterobst- mosterei enthält die Zeitschrift für die Gesamtinteressen des Obstbaues „Der Obstzüchter“, herausgegeben und redigiert von Josef Löschnig, Jahrgang XII vom 10. Juni 1914: NÖ Landes-Musterobstmosterei in Kilb (Originaltext) |
In Würdigung der großen wirtschaftlichen
Bedeutung der Obstweinerzeugung und in Anerkennung der Notwendigkeit zur
Verbesserung in der Herstellung und Behandlung des Obstmostes wurde mit
Unter- stützung des k.k. Ackerbauministeriums seitens des niederösterreichischen
Landesausschusses im Sinne des Beschlusses des niederösterreichischen
Landtages in Kilb eine große Landes- Musterobstmosterei errichtet
und am 20. Oktober 1913 unter großer Beteiligung der Interessenten
eröffnet. Die Landes-Musterobstmosterei Kilb ist auf denselben Prinzipien
aufgebaut, wie die anderen derartigen Unternehmungen des Landes. Das Land
hat mit Herrn Anton S i r n i n g e r, Baum- schulbesitzer und Obstzüchter,
einen Vertrag geschlossen, nach welchem sich dieser verpflichtet, bei der
Herstellung und Behandlung, sowie beim Verkaufe des Obstweines genau den
Weisungen
der Fachorgane des Landes zu folgen, entsprechende Räumlichkeiten
für Kurszwecke beizustellen, sodaß ein Musterbetrieb sowohl
für Schulzwecke, als auch für größere Privat- und
Handelsbetriebe vorgeführt werden kann. Seitens des Landes wurde die
Preßhauseinrichtung im Werte von rund 15.000 Kronen Herrn
S i r n i n g e r leihweise auf die Dauer des Vertrages beigestellt
und kann dann im Sinne der im Vertrage festgesetzten Bestimmungen von ihn
abgelöst werden. Irgend einen Beitrag zur Her- stellung der Baulichkeiten
oder dergleichen wurde Herrn
S i r n i n g e r nicht gewährt. Die Baukosten der Mosterei betrugen etwas über 50.000, die der Einrichtung über 20.000 Kronen. Die Landes-Musterobstmosterei in Kilb hat den Zweck, die Obstweinerzeugung in allen Teilen zu fördern und auf die ihr gebührende Stufe zu bringen. Durch den schulmäßigen Betrieb ist Gelegenheit geboten, Kurse aller Art abzuhalten und so einen Kreis tüchtiger Mosterzeuger heranzubilden. Durch die Eröffnung eines größeren Handelsbetriebes können Absatzgebiete gesucht werden und es kann der Segen guter Obstjahre durch die Einlagerung großer Quantitäten auf die mageren Jahre verteilt werden. Ferner ist aber auch den Fachleuten Gelegenheit zu fachlicher Arbeit und Forschung geboten, wodurch ebenfalls die praktischen Betriebe Nutzen ziehen können. |
Die Mosterei Kilb ist aufgrund der neuesten Erfahrungen gebaut und stellt infolgedessen einen modernen Mostereibetrieb dar, wie es in Österreich wenige geben dürfte. Entsprechend der Aufstellung der Keltereimaschinen übereinander, sind die Preßhaus- und Kellerräumlichkeiten in drei Etagen gebaut. Unter dem Dache befindet sich der Obstlagerraum mit einem Fassungsvermögen von 8 Waggon Obst. Das Obst kann mit einem elektrisch betriebenen Aufzug bequem auf den Lagerraum gebracht werden. Das Preßhaus stellt einen 4 m hohen, 8 m breiten und 24 m langen lichten Raum dar und kann mit einem Wagen befahren werden. Unter dem Preßhause ist der Keller angelegt; derselbe ist 24 m lang 6 m breit und 3 m hoch. Im Vorkeller sind die verschiedenen Inventargegenstände aufbewahrt; außerdem ist hier der Faßdämpfer aufgestellt. Im Zwischenkeller ist ein Zementfaß mit 250 hl Fassungsraum aufgenommen; in den einem Nebenkeller befindet sich die Apfelschaum- weinbereitung. Wie der Grundriss, Fig. Nr. 35, zeigt, sind die Keltermaschinen in der Mitte des Preßhauses angeordnet und bestehen aus: einer hydraulischen Presse, die derart in den Boden versenkt und montiert ist, daß die auf den Schienen laufenden Preßkörbe unter die Presse geschoben und nach dem Pressen entfernt werden können. |
![]() Fig.34. Innenansicht des Preßhauses. 1. Hydraulische Presse, 2. Obstmahlmühle, 3. Gosse zum Befördern des Obstes vom Lagerraum in die Waschmaschine, 4. Rinne von der Mühle zur Presse, 5. Tresterzerkleinerungs-maschine, 6. Waschmaschine, 7. Anstellbottiche, 8. Preßkörbe |
In der Schienenanlage sind sechs Drehscheiben eingeschaltet, sodass für die Aufstellung einer zweiten Presse Raum geschaffen und die Bewegung der Preßkörbe nach allen Seiten möglich ist. Die Presse arbeitet mit einem Arbeitsdruck von 300 Atmosphären und einem spezifischen Druck von 12 kg per cm² Preßkorboberfläche. Der Antrieb erfolgt automatisch durch eine elektrisch betriebene Wasserpumpe, die derart konstruiert ist, daß sie bis 50 Atmosphären Arbeitsdruck schnelles und von da ab, sich selbst einschaltend, ein langsames, dafür aber ein stärkeres Pressen bis zu 300 Atmosphären gestattet. Beim Erreichen des höchstzulässigen Arbeitsdruckes schaltet sich die Pumpe selbst aus, um sich beim Nachlassen des Druckes jederzeit wieder einzu- schalten. Durch diese Einrichtung wird selbsttätig ein gleichmäßig andauernder Druck erzielt. Die Presse |
vereinigt deshalb alle Vorteile der alten Baumpressen, die mit ihrem kontinuierlichen Drucke eine leichte Arbeitsweise besitzen und gestattet außerdem ein leichtes und schnelles Arbeiten. Die Höhe des Preß- wagens und -korbes zusammen beträgt nur 90 cm, wodurch das Füllen und Entleeren der Körbe sehr bequem durchgeführt werden kann. Das Pressen eines Korbes dauert 22 bis 25 Minuten. Die Ausbeute beim Pressen über diese Zeit hinaus ist derart gering, daß ein längeres Pressen nicht zweckmäßig erscheint. Die Leistungsfähigkeit der Presse beträgt rund einen Waggon Obst (10.000 kg) pro Tag, wobei ein zweimaliges Pressen gerechnet wird. |
![]() |
Ober der Presse an der Decke
des Preßhauses befindet sich die Obstmahlmühle.
Dieselbe ist nach Frankfurter System angefertigt, und besteht aus zwei
im Verhältnis 1 : 3 sich drehenden Mahlsteinen und einem darüber
gelagerten Vorschneider. Je nach Bedarf wird das gemahlene Obst in die
auf Schienen laufenden Preßkörbe nach rechts oder links geleitet.
Der Elevator ist ein Paternosterwerk und verbindet die Waschmaschine mit der Obstmahlmühle; hier wird das gewaschene Obst noch mit frischem Wasser abgebraust. |
Die Waschmaschine besteht aus einer im
Wasser sich drehenden Trommel mit mehreren hölzernen Schlagleisten.
Das Obst wird entweder im Preßhause in die Waschmaschine gegeben
oder es läuft durch eine schräge Rinne vom Lagerraum direkt zur
Wäsche.
Die Tresterstöcklimaschine dient zur Verarbeitung der ausgepreßten Trestern und besteht aus einer Schnecke, die sich in einem Gehäuse dreht und die Trester zu einer dicken Wurst formt. Die Anstellbottiche zum Aufnehmenlassen der einmal ausgepreßten Trester laufen neben dem Preßwagen auf Schienen. Der Fußboden des Preßraumes ist betoniert und nach einer bestimmten Seite geneigt, so daß ein Waschen desselben bequem durchgeführt werden kann. Die Wasserversorgung erfolgt automatisch; im Keller eine elektrische Pumpe aufgestellt, die für das ganze Haus das Wasser direkt aus dem Brunnen ohne Wasserreservoir liefert. Als Antriebsmaschine für sämtliche Maschinen dient ein auf dem Boden aufgestellter Elektromotor von 8 HP. Im Keller unter der Presse befindet sich ein großer Bottich, in welchem sich der von der Presse ablaufende Most sammelt und absetzt. Nach zehnstündigem Lagernlassen wird der obere Teil gesondert von dem unteren, in die Fässer gezogen und solcherart ein mildes weinähnliches Produkt erzielt. Der Keller wurde von Herrn S i r n i n g e r neu eingerichtet und mit Fässern von 10 bis 50 hl belegt. Der Fassungsraum des ganzen Kellers beträgt samt Zementfaß 1000 hl. |
![]() |
Im Hochparterre ist ein geräumiges
Kurszimmer mit allem zur Unterrichtserteilung notwendigen Lehrbehelfen
eingerichtet.
Es sei noch bemerkt, dass neben der großen Preßanlage, die Aufstellung mehrerer Pressen, Mühlen und Waschmaschinen im Preßhause erfolgen konnte; dadurch ist den Besuchern der Kurse die Möglichkeit geboten, auch für kleinere und mittlere Betriebe entsprechende Einrichtungen in Tätigkeit zu sehen. Die Herstellung des Mostes spielt sich
etwa folgendermaßen ab: Vom Lagerraum gelangt das Obst in die Gosse
der
|
Von der Obstmahlmühle, welche vom
Preßhaus aus sehr leicht zu feineren und gröberen Mahlen gestellt
werden kann, gelangt das gemahlene Obst durch eine Rinne in den Preßkorb,
wird hier geebnet und sobald der Korb gefüllt ist, unter die Presse
geschoben. Nach dem Einschalten der Presspumpe kann ein zweiter Korb gefüllt
werden, um beim Fertigpressen ohne Zeitverlust die Presse bedienen zu können.
Nach dem ersten Pressen wird der Korb mit den Trestern in einen Reißwolf,
der über den Elevator angeordnet ist, geworfen, abermals durch den
Elevator auf die Mühle befördert und ein zweitesmal gemahlen
und nun in die Anstellbottiche gefüllt. In den Anstellbottichen erhalten
die Trester soviel Wasserzusatz, daß das erste Produkt und der zweite
Ablauf vermengt, 11 bis 12 Prozent Zucker aufweisen. Der Wasserzusatz beim
Anstellen läßt sich sehr bequem durchführen, da eigene
Wasserarme mit besonderen messern eingeschaltet sind. Nach 6 bis 12 Stunden
Aufnehmenlassen, wird das zweite Pressen durchgeführt. Nach diesem
werden die Trester in Bottiche gefüllt, mit schwachem Wasserzusatz
versehen, nach abermaligem Stehen von 6 bis 12 Stunden und zum zweitenmal
in der Stöcklimaschine abgepreßt und dieses Produkt, welches
je nach der Mostobst- sorte und nach der Höhe des Wasserzusatzes beim
Aufnehmenlassen noch 3 bis 5 Prozent Zucker zeigt, zum ersten Aufnehmenlassen
statt reinem Wasser verwendet. Dieses Verfahren sichert eine vollständige
Ausbeute und gestattet eine wesentliche Verbesserung des gewonnenen Produktes.
Ein Gärkeller ist nicht vorgesehen, sondern es wird zur Zeit der Gärung der ganze Keller, wenn nötig, elektrisch geheizt. Es ist hier nicht der Raum über die Herstellung des Obstweines und über die Behandlung desselben zu berichten, sondern es soll nur in kurzen Zügen gezeigt werden, wie eine moderne Mosterei in der heutigen Zeit zu arbeiten hat. Es kann daher von den vielen kleinen Maschinen und Apparaturen, auf die Bestimmung der einzelnen Bestandteile in Most- und Obstwein nicht eingegangen werden. Wer sich interessiert, hat Gelegenheit anläßlich der Kurse, die an der Mosterei veranstaltet werden, sich selbst an diesen Arbeiten zu beteiligen. Um die Errichtung der niederösterreichischen
Landes-Musterobstmosterei haben sich neben den Herrn Referenten Landesausschuß
Johann M a y e r, die Herren Abgeordneten B a u c h i
n g e r ,
Möge nun der schmucke Bau der niederösterreichischen Landes-Musterobstmosterei Kilb dem gesteckten Ziele zur Verbesserung der Obstmosterzeugung beitragen, und möge er der gegenwärtigen Generation zum Nutzen, der künftigen aber zum Beispiel der Eintracht, des Gemeinwohles und des Fortschrittes dienen.
![]() ![]() |
|